Guru Tattwa
Das
Wort ‚Religion’ ist ein westlicher Begriff. Das
östliche Wort dafür lautet Dharma
und bedeutet
sinngemäß Pflicht oder Ethik. Die Urmeister inkarnierten in
dieser Welt um den Menschen das Dharma, also ihre Pflicht
zu lehren und sie aufzufordern, aufrichtig ihrem Schöpfer
zu danken und seine Namen zu ehren. Das Dharma der Meister
war es den Menschen Gott und seine Kraft näher zu bringen.
Religion oder Dharma ist gleichzeitig die innerste Natur
der Evolution und die Sehnsucht des Menschen nach
Vollkommenheit.
Wenn es nur einen Gott gibt, so kann es in diesem Sinne
auch nur eine einzige Religion geben, nämlich die Religion
dieses einen Gottes. Vishwa
Nirmala Dharma, eine ‚universelle reine
Religion’ bedeutet die spirituelle Erfahrung der
Vereinigung des Individuums mit dem universellen Geist. Um
das zu verstehen, muss der unvollkommene Mensch die
Erleuchtung erlangen und sein innerstes Selbst erkennen.
Der Wassertropfen, die individuelle Seele muss zum Ozean
werden und mit dem Göttlichen verschmelzen. Dabei ist es
ohne Bedeutung, welche Hautfarbe ein Mensch hat oder in
welcher Kultur oder Religion er geboren wurde. Letztlich
ist es bei jedem Menschen die gleiche Erfahrung.
Auf seinem Weg durch das Void, die Welt der Illusion, wird
der Sucher zur Überzeugung kommen, dass ihn sein Intellekt,
seine Erziehung und all sein weltliches Wissen ohne die
beständige innere Anleitung durch einen echten Meister in
Dunkelheit und Selbsttäuschung führen. Ein wahrer Meister
ist das höchste spirituelle Licht, welches den Sucher aus
der Dunkelheit von Ignoranz und Nichtwissen heraus führt.
Ohne spirituellen Führer wird er sich wie ein Weisenkind in
der Wildnis fühlen. In Indien wird der spirituelle Meister
als ‚Guru’ bezeichnet. Meist kamen die
Urmeister als Propheten und schritten, nachdem sie ihre
Erleuchtung erlangt hatten, den verschiedenen Kulturen mit
vollkommenem Vertrauen und völliger Hingabe kühn voran, um
das Meisterprinzip in den Menschen zu erwecken.
Spiritualität ist eine innere, evolutionäre Qualität,
welche durch Beharrlichkeit auf dem schwierigen Weg zur
vollkommenen Selbstverwirklichung erreicht wird. Damit wird
klar, dass das Bemühen um die Erleuchtung durch Entzündung
einer äußeren Quelle (z.B. Bücherwissen) nicht von Erfolg
gekrönt sein kann, solange nicht das Licht des Vertrauens
und der Hingabe im Void entflammt und das eigene
Meisterprinzip etabliert ist. Keine noch so große
Anstrengung durch rationales Lernen kann den Sucher auf die
höchste spirituelle Erfahrung vorbereiten. Während das
Wissen eine Leistung des Verstandes ist, ist Weisheit eine
Qualität, welche der Seele zuzurechnen ist.
Es gibt zwei Arten der Schulung: durch das innere
Meisterprinzip, wie es in jedem von uns angelegt ist und
durch den heiligen, frommen Lehrer, welcher dem Schüler
notwendige Lektionen erteilt und ihm die richtige Richtung
weist, wobei die Meister-Schüler Beziehung in den alten
Schriften als die höchste Entwicklungsmöglichkeit angesehen
wird. Um einen selbstverwirklichten Meister zu finden, muss
der Schüler jedoch zuerst sein eigenes inneres Licht der
Bereitschaft entzünden und so seinen Gehorsam
signalisieren, welchen er für den Lehrer und dessen Lehre
aufbringt. Der Guru ist zwar der Führer, aber letztlich ist
es immer der Schüler, welcher den spirituellen Pfad gehen
muss. Er muss die Anstrengungen des Weges gemäß seinen
eigenen Fähigkeiten auf sich nehmen und sich bewusst
werden, dass nur die Verwirklichung seiner höheren Natur,
seines Selbst, die spirituellen Früchte und den
universellen Segen bringt.
Keiner der Propheten oder Meister hat sein spirituelles
Wissen an einer Universität oder Schule erlangt. Wenn die
Universitäten Weisheit und Spiritualität lehren könnten,
dann wäre die Welt eine andere Welt. Nachdem sie einen Weg
gefunden hatten, um sich mit der alles durchdringenden
Kraft der göttlichen Liebe zu verbinden, konnten diese
Meister die tiefen Ursachen dessen, was sie beobachteten,
verstehen. Die Urmeister hatten ihr Bewusstsein mit der
alles durchdringenden, göttlichen Kraft in Einklang
gebracht. Sie fühlten die kosmischen Vibrationen und
konnten so ohne nachzudenken oder zu theoretisieren direkt
die Nachricht des Göttlichen empfangen und ihren Anhängern
die Gesetze der Spiritualität lehren. Alle Regeln auf dem
Weg sind jedoch nur Hilfsmittel, um das Ziel der
Vereinigung mit dem Göttlichen selbst zu erreichen.
Die Tiefe eines Sahaja Yogis hängt vom Grad seiner Hingabe
zu an das Göttliche ab. Nur diese Hingabe vermag die Mauern
des Ego zu überwinden. Alle anderen Anstrengungen füttern
nur das Ego, welches eine immer subtilere Natur annimmt und
dadurch immer schwerer erkennbar und angreifbar wird. Dazu
ist es erforderlich, dass man mit Hilfe der Meditation den
scheinbar nie enden wollenden Gedankenstrom zur Ruhe
bringt. Die eigene Erfahrung mit der alles durchdringenden
Kraft muss sich so weit manifestieren, dass sich die
individuelle Seele ohne Hindernis mit dem Göttlichen in
Verbindung setzen und eins mit ihm werden kann.
Das Meisterprinzip
Auszug einer Rede von Shri
Mataji Nirmala Devi, Guru Puja 1992, in Cabella/Italien
Ein Meister zu sein
ist ein Zustand, kein Status. Ein Status kann an jemanden
verliehen werden, aber ein Zustand bedeutet, dass man seine
Persönlichkeit so weit entwickelt hat, dass man zum Meister
wird.
Die sieben Stufen
zur Meisterschaft:
Wir müssen unser
eigener Meister sein und folglich über Versuchungen wie
Lust und Gier hinauswachsen. Damit die göttliche Kraft
durch uns arbeiten kann, müssen unsere Kanäle vollkommen
rein sein.
Außerdem müssen wir fähig sein, im gedankenfreien
Bewusstseinszustand zu verweilen. In diesem Zustand können
wir sehen ohne zu denken und dadurch werden wir der Zeuge
(Sakshi). Wenn wir etwas in gedankenfreiem Zustand
beobachten, können wir das Wissen des Gesehenen
absorbieren. Es besteht kein (gedankliches) Hindernis um es
aufzusaugen. Es wird es zu unserem eigenen Wissen und
manifestiert sich als Freude.
Ferner müssen wir
unsere Schwerkraft (Anm.:das Gewicht/die Bedeutsamkeit
unseres Charakters, der Würde und des Benehmens)
manifestieren. In diesem Zustand werden wir ganz still und
unsere (qualitative) Schwerkraft wirkt wie ein Magnet. Dazu
müssen wir die Tiefe in uns berühren, welche die göttliche
Kraft befördern und in uns manifestieren kann. Ohne im
Außen etwas zu sagen oder zu tun, manifestiert sich unsere
Kraft. So arbeitet das Göttliche in uns.
Weiters müssen wir
Innenschau betreiben, um die nötige Selbstachtung zu
erlangen.
Wir haben
- Kräfte der Liebe
- Kräfte des Mitgefühls
- die Kraft Dinge zu verstehen
- kreative Kräfte
- die Kraft anderen die Selbstverwirklichung zu geben
- die Kraft die Menschheit zu retten
Dazu müssen wir
wissen, dass wir Meister sind und unsere Kräfte auch
gebrauchen.
Zuerst müssen wir den Zustand der inneren Stille in uns
etablieren. Stehen wir einer schwierigen Situation
gegenüber, sollten wir fähig sein diese Mitte, die Achse
der Stille in uns, zu erreichen. Nur dadurch werden wir
wirklich kraftvoll. Wir verweilen nicht nur in unserer
eigenen Stille, sondern in der Stille des Kosmos.
Gleichzeitig sind wir in diesem Zustand in Verbindung mit
der göttlichen Kraft, welche nicht nur den gesamten Kosmos
ausarbeitet, sondern auch durch uns selbst. Diese Stille
ist ein verlässliches Zeichen, dass wir mit unserem
Bewusstsein im Königreich Gottes verweilen und Gott die
Verantwortung über uns übernimmt.
Das Meisterprinzip verleiht uns Gleichgewicht.
Grundsätzlich ist ein Meister von Natur nicht asketisch.
Dennoch er ist von der materiellen Welt so losgelöst, dass
er zum Asketen wird. Nichts kann ihn in Versuchung bringen.
Nichts kann ihn aufregen oder beunruhigen, weder Essen noch
Geld oder Macht. Nichts kann einen wahren Meister
beherrschen. Haben wir einmal diese innere Balance
erreicht, werden wir absolut furchtlos und wissen, dass uns
nichts mehr hinabziehen kann, weil wir über diesen Dingen
stehen.
Ein Sahaj-Guru ist ein mütterlicher Guru. Ein milder
Meister. Er unterscheidet sich von den klassischen Gurus,
da er seine Kräfte der Liebe, des Mitgefühls und
Verständnisses anwenden muss. So wie wir uns selbst von der
gewöhnlichen menschlichen Bewusstseinsebene auf eine höhere
Ebene eines Sahaj-Bewusstseins entwickeln, müssen wir diese
Qualitäten an andere weitergeben. Härte gegenüber anderen
ist nicht gefragt. Vielmehr jedoch Qualitäten wie Güte,
Freundlichkeit, Verständnis, Geduld und Süße.
In Sahaja Yoga gibt es so etwas wie eine kollektive
Meisterschaft. Dazu müssen wir unsere Kräfte annehmen und
unsere mangelnde Selbstachtung verbessern. Das aus der
Verbindung mit dem Göttlichen erlangte Wissen verleiht
Bescheidenheit, vergleichbar mit den Früchten eines Baumes,
welcher sich unter der Last dieser Früchte (ver-)beugt. Nur
diese Bescheidenheit verleiht uns die Fähigkeit die Herzen
der Menschen zu erobern. Im Vertrauen, dass Gott der
Allmächtige eins mit uns wird, werden wir so zu Aposteln
der Wahrheit.
Wird dieses Vertrauen in Gott einmal vollkommen und wissen
wir gleichzeitig, dass wir seine Boten sind – dann
haben wir den Zustand des Gurupada erreicht.